Karneval und die Frühlingstriebe

Der Mensch und seine wilden Triebe - von Höhen und Tiefen der Frühlingszeit: Chancen und Gefahren

Heute ist Rosenmontag, die Jecken tanzen im Regen, die Kamelle fliegen durch die Luft - ein guter Anlass mal hinter das bunte Treiben zu sehen.

Wir Menschen stehen Karneval für gewöhnlich recht zwiespältig gegenüber. Entweder man hasst es, oder man liebt es. Aber versteht man es? Was passiert da eigentlich, warum gibt es Karneval, und wie findet man seinen persönlichen Zugang zu der "jecken Zig", der verrückten Zeit?

Winter, die Zeit der dunklen Königin, der Erdmutter, der Frau Holle, mit seinen dunklen Tagen, der Zeit, an dem das Jahresrad stillsteht, keine Tänze stattfinden und die Energie nach innen wandert, sei es in der Natur, oder im Menschen durch Innenschau, findet sein Ende Anfang Februar. (Wer mehr über den Winter lesen will: hier und hier sind Blogbeiträge, die das Thema Winter behandeln.)

Frauenkreistänze bringen im Frühjahr das Jahresrad wieder in Schwung
Frauenkreistänze bringen im Frühjahr das Jahresrad wieder in Schwung

Brigid, die Lichtgöttin oder Lichtbringerin, der helle, weisse Anteil der Erdgöttin, ist die Patronin für die aufgeilende Natur und deren Feste. Das Bauernjahr beginnt, und als erste und wichtigste Tat feiert der Mensch ALS Natur in der Natur das, was uns heute noch als Karneval geblieben ist: Er unterstützt die Natur, ihre Geilheit auszuleben, ins Wachstum zu kommen, die Säfte spriessen zu lassen. Dafür verbindet er sich durch Masken und Verkleidungen mit den Naturgeistern, denn er versteht sich als der Teil der Natur, der zwischen Erde und Himmel, also zwischen Materie und Energie, wirken kann. In seinen Handlungen von beiden beeinflusst. 

Welche Naturgeister treffen wir an?

Das Maß an persönlicher Innenschau, das der Mensch braucht, ist jetzt, nach der gut benutzen Winterzeit, voll. Zu viel Innenschau birgt die Gefahr, dass das Ego sich zu sehr aufbläht, zu viel Aufmerksamkeit bekommt. Es ist wichtig auf sich zu sehen, sich zu läutern, den Weg zu überprüfen - und dann hinaus zu gehen, als Teil der Natur, und seinen Anteil zu leisten. Der Mensch ist nur ein Rädchen in einem viel größeren System. 

Die Winterzeit und Innenschau mag auch negative Dinge hervorbringen: Krankheitskeime lauern in Gewohnheiten und Verhaltensweisen, in Unausgelebtem und in der Einseitigkeit. Mit dem Aufsetzen der Masken und dem Einlassen der Frühlingsgeister wird nicht nur die neue, spriessende und wilde Energie gerufen, sondern auch das Alte, das Eingefahrene und Kranke, verjagt.

Der Mensch hat als Veranlagung in (gefühlsmäßige) Höhen und Tiefen gelangen zu können. Jetzt, im Frühling, ist auch die Zeit der Berserker, der wilden Kämpfe, der überschäumenden Energien. Der Mensch ist fähig zu töten. Jeder Mensch kann Impulse dazu bekommen. Der Frühling dient als die Zeit, diese Impulse kanalisiert herauszulassen - nicht wirklich zu töten, aber sich dieser Macht und Ohnmacht bewusst zu sein, herumzutollen und zu rangeln, zu schauen, wer der Stärkste ist - und dann, so ausgelassen und berauscht und geil auch der Sexualität Ausdruck zu verleihen. Nicht umsonst fällt Valentinstag in den Februar der Brigid, der Schutzherrin für jugendliche Verliebtheit. Die närrische Zeit hat ihren Ursprung auch in der Vernarrtheit junger Paare. LEBEN, GENIESSEN, LUST, diese drei Dinge sind die positiven Kräfte dieser Zeit.

Sensible Menschen sind dabei nur als Zuschauer willkommen, denn die Naturgeister des Frühlings sind stark und können einen Körper einfach übernehmen. Frauen waren früher ganz vom Maskentreiben ausgeschlossen - aus eben diesem Grund.

GEFAHREN

Da wir Menschen die Natur nur noch benutzen, da dieses gegenseitige Geben und Nehmen verschwunden ist (wir nehmen die Feldfrüchte, aber statt von uns etwas zurückzugeben, haben wir Wassertoiletten erfunden, die das für die Natur kostbare Gut wieder wegspült...), da die Natur eingezäunt und eingepfercht ist, und ihre Geister keinen Platz mehr in unserem modernen Leben haben, müssen beide, die Natur und die Geister, größere Anstrengungen unternehmen, um mit uns Kontakt aufzunehmen. Naturkatastrophen haben große Ausmaße, Geister werden wilder und aggressiver als sie früher waren.

 

Die Lösung liegt nicht darin, beide noch weiter aus unserem Leben zu verdrängen. Die Lösung liegt auch nicht darin, nach dieser ausgelassenen Zeit eine Fastenzeit einzulegen, um dieser "unsittlichen Triebe" wieder Herr zu werden. Diese Triebe, die Natur und ihre Geister, all das gehört zu uns. Wir sind ein Ausdruck dieser denkenden und fühlenden Welt. Wir sind nicht alleine! Es wird Zeit, dass wir uns unserer GEMEINSAMkeiten wieder bewusst werden.

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Hannah Achenbach

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